GEDENKORT ALTER LEIPZIGER bAHNHOF

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NACHHALTIGE GEDENKINSTALATION ALS PATIZIPATIVE PLATTFORM

Welchen Raum braucht zeitgemäßes Gedenken? Vor
dem Hintergrund dieser Fragestellung hat der Geschäftsbereich Kultur und Tourismus der Landeshauptstadt Dresden das Institut für räumliche Resilienz beauftragt, eine Installation zur öffentlichen Diskussion von Gedenkformen partizipativ zu konzipieren, entwerfen, baulich umzusetzen und diese zum Anlass für einen öffentlichen Diskurs über Formen und Inhalten des Gedenkens vor Ort zu nehmen. Wichtigster Ansatz bei jeder dieser drei Phasen war eine Kommunikation und Beteiligung aller beteiligten Akteur*innen auf Augenhöhe sowie eine nachhaltige und historisch sensible Umsetzung der Installation. Dazu wurde zunächst eine gründliche Untersuchung des Ortes unter Einsatz von detaillierter Architekturfotografie und Drohnenaufnahmen durch das Team des Instituts vorgenommen. Die dabei entdeckten historischen Spuren wurden mithilfe von Expert*innenbefragungen eingeordnet und sorgfältig freigelegt. Bei den Ausgrabungen stieß das Team auf eine alte Gleisanlage samt Prellbock, welche als Basis für die folgende Installation identifiziert wurde. Der Entwurf der Installation basiert auf den gewonnenen
Erkenntnissen aus dem vorangegangen Partizipationsprozess und orientiert sich formal an einem historischen Güterwagon der Reichsbahn, welche zu Deportationszwecken eingesetzt wurden.

Die Konstruktion des temporären Gedenkortes besteht vollständig aus aufwendig vor Ort geborgenen und aufgearbeiteten Betonschwellen im Sockelbereich sowie aussortierten Holzbahnschwellen für die Rahmenkonstruktion. Dieses Vorgehen verzichtet auf den Verbrauch neuer Ressourcen und erfüllt höchste Ansprüche an Nachhaltigkeit. Gleichzeitig haben die verwendeten Gleisschwellen einen geschichtlichen Bezug als infrastrukturelle Basis zur Ermöglichung der massenhaften Deportationen durch das NS-Regime. Die Installation ist vollständig und zerstörungsfrei zerlegbar und kann somit transportiert und anderorts weiterverwendet oder umgenutzt werden. Dabei stellt der durch das Institut vorgestellte Stand nicht den abschließenden Zustand des Gedenkortes dar, sondern ist vielmehr als Beginn eines Wandlungsprozesses zu verstehen, welcher öffentlich diskutiert wird. In den Rahmen eingefräßte Aussparungen erlauben das Anbringen von Tafeln aus recyceltem Schiefer, welche mit Fragen, Anmerkungen und Kritik aus der Bevölkerung erweitert werden können. Die Installation verändert sich somit im Laufe der Zeit und passt sich den Bedürfnissen eines zeitgemäßen Gedenkorts schrittweise an.

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Bei dieser Veranstaltung wurden alle in den Prozessen um den Alten Leipziger Bahnhof involvierten Beteiligten und Akteur*innen zusammengebracht und sprachen über Bedarfe, Wünsche und mögliche Herausforderungen. Die Schwierigkeit bestand darin, die unterschiedlichsten fachlichen Interessen in einen gemeinsamen produktiven Prozess zu leiten, in dem Vorstellungen für einen künftigen Gedenkort entstehen und gemeinsam entwickelt werden. Mithilfe der Methodik einer fotographischen Grundlage konnten architektonisch-fachlich ermittelte Fragekontexte in ein experimentelles Workshop-Format umgesetzt werden. Mit den gewonnenen Erkenntnissen des Beteiligungsworkshops wird gezeigt, dass der Ort am Alten Leipziger Bahnhof großes Potential für die verschiedensten Gedenkformen liefern kann. Er eignet sich als große Experimentierfläche, um Gedenkformen zu erproben, in die Praxis zu überführen und gegebenenfalls wieder zu verändern. Dank räumlicher Interventionen und Installationen und Veranstaltungen wird es möglich sein, die Sichtbarkeit des Ortes zu erhöhen.

HINTERGRUND

Der Dresdner Stadtrat beauftragt die Verwaltung im
April 2021, im Zusammenhang mit der Prüfung der Errichtung eines jüdischen Museums und Begegnungszentrums, auch einen Gedenkort für die Opfer der NS-Verbrechen am Alten Leipziger Bahnhof zu schaffen – insbesondere vor dem Hintergrund des 80. Jahrestages der Befreiung des KZ Auschwitz
 durch die Alliierten am 27. Januar 2025 sowie der
Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai 2025. Für die Konzeption und Durchführung eines partizipativen Entwicklungsprozesses einer solchen Gedenkstätte wurde das Institut für räumliche Resilienz vom Geschäftsbereich Kultur und Tourismus der Landeshauptstadt Dresden beauftragt. Der erste Teil dieses Prozesses war ein fotographischer Workshop in Kooperation mit den Studierenden der Technischen Universität Dresden. Die fotographische Spurensuche nach historischen und zeitgenössischen Indikatoren der Industriegeschichte und der Deportationen auf dem Gelände wurde eingeleitet durch einen Impulsvortrag des Künstlers David Adam. Die Ergebnisse des
Workshops wurden als fotographische Impressionen kuratiert und dienten als Grundlage für den Beteiligungsworkshop in den Technischen Sammlungen.